Vermarktungsstrategie und Umsetzung

66 Millionen Dollar Extrageschäft – erreicht in gut einem Jahr

Die Technologie war brillant, dementsprechend die Hoffnungen: In der Getriebesparte eines übernommenen amerikanischen Unternehmens sahen wir ein großes Potenzial für den europäischen Markt. Doch das Geschäft wollte nicht anspringen. Mögliche Kunden vermissten bestimmte Produkteigenschaften oder sahen keinen triftigen Grund, zu einem neuen Anbieter zu wechseln. Die Vertriebsleute wandten sich von diesem zwar innovativen, aber offenbar chancenlosen Produkt ab.

Vermarktungsstrategie grafisch dargestellt

Ein Beispiel unter vielen. Unser Unternehmen, ein international aufgestelltes Unternehmen von Automationsprodukten betrieb damals rund 40 solcher „strategischer Initiativen“. Gemeint waren damit neue Geschäftsfelder, die sich durch interessante Technologien auszeichneten, deren Marktpotenzial jedoch unklar war und zu großen Teilen brachlag. Als Sales Manager Deutschland kannte ich diese Probleme. Ich hatte die Vertriebsleute so instruiert, dass sie dort hingingen, wo schnell gutes Geschäft zu bekommen war. Den Verkauf neuer Technologien, die noch wenig ausgereift erschienen, vermieden sie daher eher.


Eines Tages jedoch rief der Vorstand an: Als Zusatzaufgabe sollte ich die Leitung der „strategischen Initiativen“ übernehmen. Unter Kollegen sprach man in solch einem Fall gerne von einem Hobby, das man „bekommen“ hat. Ich empfand es indes als spannende Herausforderung: Meine Aufgabe war es jetzt, aus der großen Zahl der Initiativen die finanziell und strategisch relevanten Geschäftsfelder zu identifizieren und die vertrieblichen Ressourcen hierauf zu konzentrieren.

Identifikation der tragfähigen Geschäftsfelder

Schnell war klar: Es gab kein grundsätzliches Problem, das auf alle Geschäftsfelder anwendbar war. Wir mussten jede Initiative einzeln betrachten. Ich führte daher Gespräche mit den jeweiligen Verantwortlichen und stieß auf die unterschiedlichsten Gründe, warum die Initiative festhing, und der erhoffte Erfolg ausblieb. Einmal fehlte ein Stück Software, das noch programmiert werden musste, ein anderes Mal war die Dokumentation nicht ausreichend, in einem Fall erfüllte das Produkt eine bestimmte Norm nicht, in einem anderen Fall konnte der Vertrieb mit dem Produkt nichts anfangen. Irgendwo gab es immer einen Engpass.


Bei der großen Anzahl der Geschäftsfelder war es notwendig, eine Systematik zu entwickeln, um sie gegeneinander abwägen zu können. So entstand ein Raster aus vier zentralen Kriterien, die wir auf jedes Geschäftsfeld anwandten:

  • Marktpotenzial: Gibt es überhaupt einen Markt für das Produkt, und wie groß ist dieser Markt?
  • Marktkenntnis: Wie gut kennen wir uns in diesem Markt aus?
  • Ressourcen: Welche Ressourcen erfordert die Erschließung dieses Marktes, und verfügen wir über die erforderlichen Ressourcen?
  • Vorbereitung des Vertriebs: Sind unsere Vertriebsleute für das Produkt ausreichend geschult? Kennen sie es überhaupt? Wissen sie, worüber sie reden?


Nach drei Monaten waren wir in der Lage, anhand dieser Systematik die Geschäftsfelder zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Wir erkannten die jeweiligen Schwachpunkte und konnte den Aufwand abschätzen, der für ein marktfähiges Angebot notwendig war.


Von den 40 strategische Initiativen kristallisierten sich einige heraus, die sehr interessant waren: Hier ließ sich mit relativ wenig Einsatz viel erreichen – und es würde sich lohnen, vertriebliche Ressourcen darauf zu konzentrieren. Bei etwa der Hälfte der Initiativen war hingegen klar, dass man sie nicht mehr weiterverfolgen sollte.

Entscheidung des Vorstands

Dem Vorstand konnte ich nun eine saubere Entscheidungsgrundlage vorlegen. Aus ihr ging hervor, welche Initiativen erfolgversprechend waren, an welchen Stellen wir investieren oder welche Ressourcen umgelenkt werden sollten. Ich konnte aufzeigen, wo die entscheidenden Engpässe lagen – und welche Bewilligungen wir benötigten, um sie zu beseitigen.


Der Vorstand entschied schnell. Somit hatten wir Klarheit darüber, welche Initiativen weiterverfolgt und wie die Ressourcen eingesetzt werden sollten. Personen wurden umbesetzt, in einigen Fällen auch Stellen bewilligt. Da wir knapp die Hälfte der Initiativen strichen, sparten wir viel Geld, das sich vermutlich nie verzinst hätte – und konnten es nun in den anderen Initiativen einsetzen.

Den Vertrieb fit machen

Um den Rollout vorzubereiten, passten wir Produkte an, schrieben Firmware neu, ergänzten Verkaufsunterlagen und erstellten Präsentationen. Wir schworen die Verantwortlichen auf ihre Aufgabe ein. Die Vertriebsleute wurden geschult und erhielten ihren jeweiligen „Rucksack“ mit auf den Weg. Darin enthalten waren Nutzenargumentationen, technische Zeichnungen, Applikationsbeispiele, Unterlagen über die Zielkunden – eben alles, was sie für ihre Aufgabe benötigten.


Es war so weit: Der Verkauf in den verschiedenen Geschäftsfeldern lief an.

Monitoring und Ergebnisse nach einem Jahr

In den folgenden Monaten beobachteten wir die Entwicklung der einzelnen Geschäftsfelder sorgfältig. Wir beseitigten das eine oder andere Hindernis, legten an manchen Stellen noch nach oder führten noch einmal eine Schulung durch. Vor allem aber: Wir registrierten aufmerksam das Feedback der Kunden.


Für jedes Geschäftsfeld berichteten wir quartalsweise die Ergebnisse, sowohl auf der Umsatz- wie auch auf der Kostenseite. Zur Freude des Vorstands stiegen die Zahlen exponentiell: Die Ertragsrampe erreichte nach etwas mehr als einem Jahr 66 Millionen Dollar Umsatz – ein Umsatz, der sich zum Kerngeschäft addierte.


Wohl noch wichtiger war der strategische Aspekt: Wir signalisierten Präsenz auf wichtigen Zukunftsmärkten. Die Rückmeldungen der Kunden ermöglichten es, die Produkte weiter zu optimieren und das Geschäft auf diesen Feldern abzusichern.